ISU European Championships 2022: Ein Fazit
-
Karl-Heinz Krebs -
16. Januar 2022 um 00:50 -
1.925 Mal gelesen -
24 Antworten
Guten Tag!
Auch wenn die Gala noch aussteht, der sportliche Teil der EM 2022 ist Geschichte. .Zeit für ein erstes Fazit, vor allem da am Donnerstag mit den Four Continents bereits der nächste Höhepunkt vor der Tür steht.
Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde die EM belächelt, sie sei viel schlechter besetzt, als die 4CC. Das hat sich grundlegend geändert.
Im Frauenbereich gibt Europa inzwischen den Takt an. Lediglich eine Alysia Liu in Topform und ein, zwei Japanerinnen könnten in die europäische Phalanx einbrechen. Nebenbei bemerkt; Würde die Altersgrenze jetzt schon bei 17 Jahren liegen, wäre Gold an Shcherbakova und Silber an Trusova gegangen. Die vermutliche Nachrückerin Tuktamysheva hätte gute Chancen gehabt, den kompletten Triumph Russlands vollzumachen. Es würde sich also kaum etwas ändern.. Es sind aber nicht nur die Russinnen, die Spaß machen. In ihrem Sog bricht der alte Kontinent zu neuen Ufern auf. Mehr als ein halbes Dutzend junger Läuferinnen vollzog in den letzten Monaten enorme Leistungssprünge: Loena Hendrickx, Ekaterina Kurakova, Ekaterina Rybakova, Anastasia Gubanova oder Niina Petrokina seien da nur stellvertretend für weitere genannt. Setzt sich dieser Trend fort, dann steht der europäische Fraueneiskunstlauf vor einer glänzenden Zukunft.
Ganz so weit sind die Männer noch nicht, aber auch hier tut sich etwas. Die drei jungen Russen, Daniel Grassl, Kevin Aymoz und Deniss Vasiljevs haben für einen spannenden Wettkampf auf hohem Niveau gesorgt. So gut wie die besten Japaner und Nathan Chen sind sie noch nicht, aber dabei den Rückstand zu verkürzen. Viele außereuropäische Läufer liegen eh nicht vor den besten Europäern.
Im Paarlauf sind es nur Wenjing Sui / Cong Han, die mit den russischen Paaren mithalten können. Hinter den Russen klafft dann aber ein großes Loch. Trotzdem gibt es auch hier hoffnungsvolle Ansätze. Einmal schon rein von der Masse. Ich kann mich an keine EM erinnern, für die 24 Paare gemeldet hatten. Bei der eM 2019 waren es ganze elf. Dazu schicken sich Paare aus Ungarn, Georgien oder Spanien an, die Paarlaufwelt zu erobern und das sind alles andere als klassische Paarlaufländer. Der Weg ist hier noch weit, doch es sind schon gute Ansätze zu sehen.
Im Eistanz steht es in etwa Unentschieden. Mit Sinitsina / Katsalapov, Stepanova / Bukin und Papadakis / Cizeron ist Europa sehr gut aufgestellt. Dafür ist die Spitze in Nordamerika etwas breiter. Auch hier dürfen wir uns auf aufstrebende Paare, wie den beiden spanischen, dem britischen und den italienischen Paaren freuen. Nein, vor dem Vergleich mit den Nicht-Europäern müssen sich die Europäer nicht verstecken.
Als deutscher Eiskunstlauffan sitze man vor dem Fernseher und staunt sprachlos über die Leistungsexplosionen um Deutschland herum. Reihenweise gab es in Tallinn Bestleistungen zu bestaunen. Etliche in jedem Wettbewerb. Den deutschen Läufern gelangen zwei. Beide durch Nikita Starostin. Ohne seine Leistung schmälern zu wollen. Es war erst sein fünfter Start bei den Senioren auf internationaler Ebene. Da war eine Steigerung einfach fällig. Er war der einzige Lichtblick innerhalb eines biederen Auftritts des deutschen Teams. Wenn die Sonntagszeitungen die Verbesserung unserer Eistänzer von Platz 13 auf Platz zwölf abfeiern, sagt das einiges aus. Es wird nichts (mehr) vom deutschen Eiskunstlauf erwartet. Da wir schon beim Eistanz sind. Müller / Dieck belegten den 12. Platz, nach Rang 13 vor zwei Jahren. Da waren aber auch noch Papadakis / Cizeron am Start. Ihre Free Dance Bestleistung stammt von jener EM und konnte seit zwei Jahren nicht mehr verbessert werden. Nicole Schott landete wie vor zwei Jahren deutlich geschlagen. auf dem 13. Platz. Ihre Kurzprogramm-Bestleistung stammt aus dem Jahr 2019. Bis heute weiß ich nicht, was uns ihr diesjähriges Kurzprogramm sagen soll. Sie sieht aus wie eine Tangotänzerin, die Musik ist Tango, was sie läuft ist alles, nur kein Tango. Tango, das ist Feuer, das ist Temperament, das ist Leidenschaft - nichts davon ist bei ihr zu sehen. es ist ein Schott-Programm das wie immer ist und genau wie immer aussieht. Es gab vor ein paar Jahren mal ein Programm von ihr mit Trommeln. Kuck an, sie kann es doch. Das hat mir richtig gut gefallen. Leider blieb es eine Eintagsfliege. Paul Fentz. Was soll man zu ihm sagen, nach dem ihm die DEU so übel mitgespielt hat. Zumindest kann und muss man sagen, dass er seine Möglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. Ich weiß nicht, wie lange es bei ihm beim vierfachen Toeloop und dem dreifachen Axel heißt: geht - geht nicht - geht - geht nicht ,... Es wäre schon längst an der Zeit gewesen, eine neue Umgebung oder einen neuen Trainer zu suchen. Das ist ausdrücklich kein Vorwurf an Romy Österreich, aber das gibt es in vielen Sportarten, dass ein Trainerwechsel die fehlenden zwei Prozent aus einem Sportler herauskitzelt. Vielleicht wäre auch ein Besuch im Camp von Alexei Mishin eine Hilfe. Der hat schon ganz anderen das Springen beigebracht. Ich befürchte nur, dass dem Paul jetzt langsam die Zeit ausgeht, weil sich sein Körper mehr und mehr gegen die Belastung wehrt. Paul war vor zwei Jahren noch Achter der EM, zwei seiner Bestleistungen stammen noch von dieser EM. Sein Absturz kostete die DEU einen Startplatz. Nikita Starostin war mit seinem 13. Platz der einzige Lichtblick im deutschen Kader. Ob er dann wirklich der große Hoffnungsträger wird, warten wir mal lieber noch etwas ab. Viel zu viele zukünftige Olympiahoffnungen habe ich in den vergangen Jahren verschwinden sehen, bevor sie überhaupt in der deutschen Spitze ankamen: Bock. Dastich, Marold, Prölss, Thomalla, Droysen, Hess, Stoll - die Liste ließe sich fortsetzen. Ihnen wurde früh die Zukunft des deutschen Eiskunstlaufs auf die schmalen Schultern gepackt und sie zerbrachen daran.
Selbst die deutsche Paradedisziplin Paarlauf konnte die Bilanz nicht aufhübschen. Platz acht für Hase / Seegert, vor zwei Jahren Fünfte und der 13. Platz von Hocke / Kunkel, vor zwei Jahren Siebte, kosteten einen Startplatz. Diesen verloren gegangenen dritten Platz durften in diesem Jahr Roscher / Schuster nutzen, die aber als 19. das Finale nicht erreichten. Hoffen wir, dass die Freude über die Teilnahme den möglichen Frust über das Ausscheiden überstrahlt. Ansonsten gilt für sie das, was schon über Starostin gesagt wurde.. Vielleicht war der Schaden durch die instinkt- und stillose Entlassung des Bundestrainers Paarlauf doch größer als gedacht. Der mentale Ausgleich soll ja eine Stärke von König gewesen sein. Die Paare hätten das nötig gehabt.
Wisst ihr wie der Nationaltrainer von Russland heißt? Der von Japan? Der von Kanada oder den USA? Nicht? Ich auch nicht. Wahrscheinlich gibt es dort keine,. Zumindest haben sie dann aber andere Aufgaben, als in Deutschland. Russland hat einen. Das ist entweder Kogan oder Lakernik. Genau weiß ich das nicht. Ist aber auch egal. Glaubt ihr, der Nationaltrainer würde einer Eteri Tutberidze sagen, wie sie zu trainieren hat? Oder einer Tamara Moskvina, einem Alexei Mishin? Im Leben nicht. Seine Aufgabe besteht in der Administration. Die Reisen vorbereiten, um die Visa und Hotels kümmern, etc. Sicher redet er auch bei der Nominierung der Kader für die großen Meisterschaften mit. In den anderen Ländern ist das nicht anders. Niemand wird einer Mie Hamada, einem Brian Orser oder einem Rafael Arutyunyan sagen, wie er sein Training zu gestalten hat. Deutschland leistet sich den Luxus von acht oder neun Bundestrainern, bei künftig noch fünf EM-Startplätzen. Sollte das Verhältnis nicht mindestens umgedreht sein? Es kommen ja auch noch reichlich Stützpunkttrainer hinzu. Angestellt oder auf Honorarbasis. Ein riesiger Wasserkopf für einen schmalen Unterbau. Bildlich sieht die DEU aus wie ET. großer Kopf, schmaler Körper. Das kann nicht funktionieren. Ich lasse mich aber gerne bei Olympia vom Gegenteil überzeugen.
Antworten 24