In einem Interview hat der ehemalige italienische Eiskunstläufer Ivan Righini, der jetzt in Frankreich als Trainer arbeitet, heftige Kritik an der ISU geübt. Auszüge:
Auf der ganzen Welt stirbt der Eiskunstlauf. Es wird sich jetzt in Amerika entwickeln, weil Ilya Malinin aufgetaucht ist, der unglaubliche Dinge tut, also werden die Leute in den Eiskunstlauf gehen wollen, es wird Sponsoren geben. Amerikaner hatten noch nie Probleme mit Sponsoren, also werden sie immer laufen wollen. Und in Europa gibt es ein Loch, und am Ende wird niemand mehr übrig sein. Eine weitere Olympiade wird vergehen, und in Italien, Frankreich, wird es niemanden geben. Und dann werden eines Tages nur die Amerikaner, die Japaner und die Russen konkurrieren. Das wars. Wo steht die Entwicklung des Eiskunstlaufs? Die ISU muss dieses Problem irgendwie lösen, neue Wettbewerbe veranstalten, Sponsoren gewinnen.
Eiskunstlauf ist ein nicht kommerzieller Sport. Wir können nichts zeigen. Schlittschuhe dürfen sie nur in Ihren sozialen Netzwerken zeigen, die Logos bei offiziellen Trainings überkleben. Warum? Das ist nicht richtig! Daher gehen Sponsoren nicht in den Eiskunstlauf. Sponsoren gehen an irgendeinen Fußballer, der in der 2. Bundesliga spielt, aber nicht an den Olympiasieger im Eiskunstlauf, obwohl dieser Status sportlich größer ist.
Der Eiskunstlauf stirbt nur, weil die Athleten kein Geld verdienen können. Es ist notwendig, das Preisgeld zu erhöhen, aber ohne Sponsoren geht es nicht. Die russischen Etappen des Grand Prix werden gesponsert – es ist für niemanden ein Geheimnis, wie viel man dort verdienen kann. Aus diesem Grund werden mehr Athleten zum Eiskunstlauf kommen, obwohl die Russen schon lange gesperrt sind. Und hier in Europa? Sie schauen: „Verdammt, Eis kostet 200 Euro die Stunde. Und wie viel Geld benötige ich für die Durchführung der Programme? Wenn Sie ein gutes Niveau nehmen, von 50 bis 80.000 Dollar pro Jahr. Also, wie viel muss man für Reisebusse und Unterkunft bezahlen? Und wie viel kann ich verdienen? Gibt es Sponsoren? Und was sind die Wettbewerbe?
Lassen Sie sie von Europa nach Russland kommen, vielleicht lernen sie etwas. Weil die ISU selbst den Eiskunstlauf tötet, macht sie ihn weniger populär. Wie entwickelt die ISU den Eiskunstlauf? Skater entwickeln sich, aber nur dank der Arbeit von Trainern und ihren Verbänden. Und die ISU selbst entwickelt den Sport überhaupt nicht. Es ist eine Tatsache. Und jetzt sind die Russen weg und es ist schlimmer geworden. Dementsprechend wird die Verschlechterung in Europa noch größer werden. Sie werden denken, dass Quads nicht mehr benötigt werden. Also rissen sie sich den Arsch auf, versuchten die Dreier zu beenden, um sich auf den Vierer vorzubereiten, aber warum jetzt? Und das ist logisch: Warum den Arsch anstrengen, wenn es nicht nötig ist?
Eiskunstlauf ist immer noch nicht nur ein technischer Sport, es ist eine Kunst. Wir schreiben immer noch Zahlen auf dem Eis. Natürlich ist dies eine Kunst, die sehr unterschätzt wird. Hoffen wir, dass der ISU etwas einfällt, das korrigiert werden muss. Russische Athleten laufen jetzt mehrere Jahre nicht, diejenigen, die jetzt gewinnen, werden gehen, und Eiskunstlauf wird sich überhaupt nicht mehr entwickeln. Oder Eiskunstlauf wird zu einem lokalen Sport, wie er es bereits ist. Russland macht Eiskunstlauf zu einem lokalen Sport – das Budget wird erhöht, es werden zusätzliche Wettbewerbe veranstaltet – damit die Leute nicht vergessen, dass es cool ist. Und sie machen alles absolut richtig.
Ich möchte, dass Eiskunstlauf wie eine Show ist. Eine Leistung vor einer Sechs-Minuten-Session, wie bei einem russischen Verleih, macht nicht einmal 10 % dessen aus, was man mit diesem Sport machen kann, wenn man Geld in ihn investiert. Sollte eine coole Verpackung sein. Eiskunstlauf hat derzeit nicht überall auf der Welt einen Wrapper, weil es nicht genug Shows gibt. Und ruhen wir uns nicht auf Covid aus – es hat schon vor langer Zeit begonnen. Es fehlt vieles: Wettbewerbe, Finanzen, Auftritte. Sobald dies alles kommt, wird der Eiskunstlauf wieder weltweit in vollem Gange sein.
Eiskunstlauf ist ein sehr cooler Sport, es ist eine Kunst, die entwickelt werden muss.
Antworten 14
Octavia
Nun ja gerade in Italien und Frankreich lebt der Eiskunstlauf. Dort gibt es Läufer, die auch Wettbewerbe für sich entscheiden. Russland und die USA waren immer eine starke Eiskunstlaufnationen , Righini ist ja selbst gebürtiger Russe.
Kanada ist ein bisschen in den Hintergrund getreten, was die Erfolge angeht, nicht was die Zahl und Wettbewerbsstärke der Läufer betrifft, das wird man bei den Nationals sehen können.
Japan ist als neuer Hauptkonkurrent dazugekommen, das hat dem Sport gut getan, dort gibt es viele starke Läufer und Läuferinnen und nicht zu vergessen Korea. Dort laufen auch gerade die nationalen Meisterschaften, die Teilnehmerlisten sind lang, auch bei den Junioren.
Bisher weiß ich nicht wie es um die Stärke der Chinesen steht. Denke aber wir werden außer Yudong Chen auch Boyang wiedersehen, der wohl jetzt doch in Kanada trainiert. Und bestimmt auch Paare.
Karl-Heinz Krebs
Righini hat ja auf den Zeitraum nach den nächsten Spielen geblickt und da sieht es dann doch sehr finster in diesen beiden Ländern aus:
Im Paarlauf gibt es in Frankreich nichts, auch nicht bei den Frauen. Bei den Männern kommt nach Aymoz und Fa auch nichts und der Eistanz besteht nur aus Papadakis / Cizeron. In Italien sieht es nicht anders aus. Bei den Frauen Fehlanzeige. Im Eistanz nur Charlene GUIGNARD / Marco FABBRI, bei denen nicht sicher ist, ob sie noch bis Olympia weitermachen. Im Paarlauf werden vermutlich nach Olympia nur noch Sara CONTI / Niccolo MACII aktiv sein und bei den Männern verstellt Daniel Grassl ein wenig das Bild.
Da hat Righini mit seiner Einschätzung schon recht. Was aus der einstigen Eiskunstlaufnation Deutschland geworden ist, bekommen wir gerade live vorgeführt.
Octavia
Man weiß doch nicht wie lange die genannten Läufer im Wettbewerb bleiben, in Italien ist gerade ein Läufer Favorit auf den Juniorenweltmeistertitel: Memola. Grassl und Rizzo sind auch noch nicht alt, dann gibt es noch Frangipani. Im Paarlauf hat sich Mattia della Torre gerade eingefunden. Und Conti / Macci sind auch da. Vielleicht sind nicht alle gleich Podiumskandidaten, aber vom Sterben kann für mich da nicht die Rede sein, gerade bei diesen beiden Nationen.
Und erinnern wir uns mal zurück 7 Jahre lang war ein Spanier nicht zu schlagen :Javier Fernandez wurde immer Europameister trotz der Konkurrenz vor allem aus Russland. Und schon damals konnte auch ein Righini nicht wirklich mithalten. Ich erinnere mich als Fedor Klimov in einem Kommentar zu Rizzo sagte, Italien sei froh, wieder mal einen stärkeren Läufer zu haben.
In Deutschland ist die Situation ganz anders . Ich gehe hier mit Francesco Friedrich mit: Der Sport hat keine Reputation. Das trifft nicht nur das Eiskunstlaufen, ist aber bei unserem Lieblingssport besonders sichtbar. Wenn ich mit Schüler*innen über diesen Sport rede, heißt es immer old school. Mal hinschauen, vielleicht auch mal länger. Selber tun : eher nicht. In der Freizeit mal Schlittschuh laufen ja, aber jeden Tag sich quälen -nein danke. Da sind andere Dinge wichtiger. Und die DEU tut auch alles, um den Sport nicht wachsen zu lassen, siehe die Behandlung von Savchenko und König, eine große Chance einfach vertan.
Yogacat
Das Niveau bei den italienischen Junioren Ende Dezember, entsprach wohlwollend ausgedrückt, inetwa dem deutschem, genauso wie das Leistungsvermögen von diesmal nur 2 Junioren Paaren, mit am Ende ca. 100 Punkten.
https://www.fisg.it/upload/result/5899/online/CAT005RS.htm
Bin auch noch nicht sicher ob man Nikolaj Memola mittelfristig Quads springen sieht. Auch er hat ja eine russische Mutter.
Was ich auch nicht weiss ist, wie schnell man in dem etwas effizienteren System Talente voranbringen kann. Das kann Righini sicher besser einschätzen und wenn er Bedenken hat, wird was dran sein. Zu Grassl schreibe ich was unter dem Artikel, in dem steht das er nun zu Tutberidze ging.
Karl-Heinz Krebs
Octavia
Es bleibt bei einzelnen Läufern, die alles überdecken. Im Vergleich zu vor drei, vier Jahren ist Italien nur noch ein Schatten seiner selbst und über Frankreich brauchen wir gar nicht Reden. Auch Savchenko / Massot haben das Sterben des deutschen Eiskunstlauf bestenfalls verlangsamt, und die waren deutlich besser, als die von Dir genannten Italiener. Und sollte Russland seine gelegentlichen Gedankenspiele umsetzen und nach Asien wechseln: Dann gute Nacht Europa.
Embot
Ja, das wird wohl so kommen. Und da,außer uns, drei Hansen, die darüber traurig sind, es niemanden groß interessiert, wird diese Entwicklung nicht aufzuhalten sein.
Die Europäische Bevölkerung lebt mehr oder weniger gut auch ohne Eiskunstlauf in eigenen Ländern. Dann schauen sie eben Fußball ... und wenn es den nicht mehr gibt, dann eben gar nichts.
Wie Octavia sagt: die Bereitschaft, sich für sportliche Erfolge zu quälen, gibt es in europäischen Mentalität nicht mehr. Betrifft nicht nur Eiskunstlauf, aber den besonders, weil die Sportart so unheimlich zeitintensiv ist und das schon ab sehr jungem Alter. Da muss man eher von der Bereitschaft der Eltern reden, sich dafür zu quälen und die gibt es noch weniger, als bei den Kindern
Und auf der anderen Seite fehlen die Strukturen, die Gelder, die Trainer...Es wurde alles zerstört, man müsste jetzt bei Null anfangen...der Aufwand ist enorm. Und das mit sehr ungewissen Erfolg. Wer soll da sein Geld rein stecken? Der deutsche Staat macht es gewiss nicht, aber wahrscheinlich auch kein italienischer oder französischer...
Für mich ist die Entwicklung traurig, aber leider nicht aufzuhalten. Da wird auch ein Ivan Rigini nicht dran ändern können...
Lutz
Lutz
Karl-Heinz Krebs
Es gibt in mehreren russischen Sportverbänden Gedankenspiele, die europäischen Verbände zu verlassen und sich den asiatischen anzuschließen. Eiskunstlauf gehört dazu. Bisher wird das aber noch dementiert. Aber das mit den Dementis kennen wir ja: Der Trainer steht nicht zur Disposition! Und am nächsten Tag ist er entlassen.
Lutz
Wer der zusammenbrechenden Ex-"Leitwährung" mitsamt "westlicher Wertegemeinschaft" den Rücken zukehrt, tut das eben voll umfänglich, komplett und planvoll. Sich da noch über Eiskunstlauf in Europa zu unterhalten, ist "eigentlich" rührend, rührend naiv und blind. Auch das läuft wie geplant.