Die WM ist vorbei, die Medaillen verteilt. Endlich mal wieder ein richtig großer Wettkampf.
Ich habe so viele Vorführungen wie nie gesehen und mich gefreut, daß es im deutschen Fernsehen möglich war, alle Wettkämpfe zu sehen.
Danke lieber Karl-Heinz, daß Du uns wieder einmal „an die Hand“ genommen und uns über alles informiert und die Links zu den Sendern bereitgestellt hast. Das war wieder einmal Service vom Feinsten.
Das Beste gleich vorneweg. Siggi Heinrich kommentierte bei Eurosport. Das allein wertet die Wettkämpfe schon enorm auf. Und des öfteren war sein Kommentar origineller als das dargebotene Programm.
Tja eigentlich war es geplant, in Stockholm live dabei zu sein. Nun saßen wir alle gemeinsam
(jeder für sich) auf der Couch und haben dort die Wettkämpfe verfolgt. Und nun, wo alles vorbei ist, resümiert man ein wenig; was beeindruckte, was enttäuschte und was für immer in Erinnerung bleibt. Und alles natürlich aus ganz ganz persönlicher Sicht.
Vorab: Alle Sieger haben zu Recht gewonnen, obwohl ich mir oft ein anderes Podium gewünscht hatte. Aber das ist natürlich ganz und gar subjektiv und Wünsche sind ja immer erlaubt.
Ich war gespannt auf Wenjing SUI / Cong HAN, von denen man bisher noch gar nichts sehen konnte.
Aber sie waren angespannt und Wenjing schien nervös wie nie. Ihre Kür ist in Bestform der reinste Traum. Kein Paar hat diese Ausdruckskraft, die Harmonie und die Kreativität in ihrer Performance.
Sie haben den Titel aus den Händen gegeben. Schade, schade, schade. Aber vielleicht hilft es, ohne Titel zu Olympia in Peking anzutreten. Denn dort werden sie auftrumpfen, da bin ich mir sicher.
Ich bin nicht so ein Fan von den russischen Paaren, auch nicht vom Siegerpaar (Ich bitte alle um Verzeihung). Der Sieg ist aber verdient.
Annika und Robert blieben unter ihren Möglichkeiten wie auch Miriam Ziegler und Severin Kiefer.
Für Tarasova/Morozov wünsche ich mir, daß sie zum Niveau des letzten Jahres zurückkehren. Da haben sie mich so sehr beeindruckt. Sie haben ja persönlich so einiges durch. Haben sich als privates Paar getrennt und beschlossen, trotzdem weiter zu laufen. Das war sicher eine schwierige Zeit und es dauert, sich wieder mit so viel Nähe wohl zu fühlen. Dafür muss man ihnen wirklich Anerkennung zollen. Für Cheng PENG/Yang JIN hoffe ich, daß Ihnen einmal der große Wurf gelingt. Sie sind modern und innovativ und haben meist eine sehr originelle Musikauswahl. Ich bleibe ihr Fan.
Bei den Frauen/Mädchen gab es Überraschungen in jede Richtung. Daß Anna Scherbakova gewinnt, war wohl eher keine. Pech hatte Mae Berenice Maite, sie verletzte sich im Kurzprogramm. Seit der EM in Graz bin ich ein besonderer Fan von ihr. Jedenfalls bekommt sie von mir für ihr Kostüm glatte 10 Punkte. Die nächste Überraschung war der 12. Platz im Kurzprogramm für Alexandra Trusova. Und wie hat sie bekämpft in der Kür. Alles versucht, manchmal gestürzt oder nicht korrekt gelandet. Sicher hätte sie versuchen können, alles auf Nummer sicher zu laufen. Aber das ist nicht sie. Mit unbändigem Willen und voller Energie lief sie ihre Kür. Nach jedem Patzer hieß es: Aufstehen, anlaufen, weiter, ließ keine Sekunde nach. Ihre ganze Performance schrie förmlich: Ich will – ich gehöre aufs Podium. Chapeau kleine große Alexandra.
Gleiches gilt für Olga Mikutina. Da tritt sie zum ersten Mal bei einer WM an und zeigt ihr Programm, daß es einem fast den Atem nimmt. Sprungstark und grazil verzaubert sie alle und wird völlig verdient Achte; was für eine Leistung! Und Nicole Schott? Sie kommt mit Mühe und Not noch ins Kürprogramm und läuft so ohne Esprit, daß sie einem schon fast leid tut. Warum gelingt es ihr nicht, zu zeigen, was sie kann? Alles Kopfsache? Ihre Musikwahl unterstrich das Ergebnis, schwerbeladen und traurig.
Der absolute Gegensatz war Josefin Taljegard. Da kommt sie aufs Eis, weder perfekt in der Technik, nicht in der Grazie und Eleganz und performt ihre Kür mit einer Energie und Freude, daß es einen aus dem Sessel reißt. Man hätte alle Scheinwerfer ausmachen können und trotzdem wäre die Eishalle durch ihr strahlendes Gesicht taghell. Sie hat all ihre Möglichkeiten ausgeschöpft und zeigte Einsatz, und Leidenschaft, Freude pur. Und sie hat alle Schweden stolz und glücklich gemacht.
Die nächste Überraschung war Elizaveta Tuktamysheva. Weltmeisterin von 2015, dann nie wieder bei einer WM oder EM. Sie mußte den jungen Mädchen weichen; ausgemustert, kaltgestellt, 6 lange Jahre lang. Aber sie blieb dran, trainierte, kämpfte sich zurück und zeigt der Welt, daß man als Frau das Podium erreichen kann. Ihr Trainer, Alexei Mishin, gab sie nicht auf und glaubte an sie.
Wieviele junge Mädchen ihres Landes sie in diesen 6 Jahren wohl „überlebt“ hat?
Ihre Silbermedaille hat den goldenen Schein des unzerstörbaren Glaubens an sich selbst.
Teil 2 folgt am morgigen Tag.
Kommentare 11
Fechter
hoffen wir mal, dass es N. Schott tatsächlich nicht gelungen ist, ihr können zu zeigen.
Ich hatte zwischenzeitlich den bösen Verdacht, dass sie ihr Können gezeigt hat.
Yogacat
Das kommt in etwa hin. Diesmal wurde öffentlich in der Presse kommuniziert das sie den 3fachen Lutz nicht wettbewerbsreif im Repertoire hat, der vor allem in Kombi mit dem 3T bei sehr vielen Damen Standard ist und gute Punkte bringt. Viele wünschen sich halt auch, das die deutsche Teilnehmerin ambitionierter und frischer daherkommt. Wenn im Frühherbst die Wettbewerbssaison startet, wird der Olympiastartplatz hoffenlich ausgefahren werden können. Nicole hat kein persönliches Startrecht erworben und ich traue es 2-3 Läuferinnen zu in ihren Punktebereich zu laufen, jeweils mit gestandenem 3L.
Elke
"Wenn man den Punkt erwischt, fliegt er von allein, den finde ich einfach" meinte ein ehemaliger Eiskunstläufer mal zu mir. Er meinte den 3 fachen Lutz.
Ist Nicole nicht bereit so kompromisslos sich reinzulegen in den Absprung so wie es dieser Läufer tat ? Ihr ganzer Stil deutet darauf hin, da ist zuviel mentale Überwachung drin in allem was sie tut, sie traut sich selbst nicht. Fatal .
Wer das Donovan Carillo Dokuvideo gesehen hat ( link unter dem Artikel WM Stockholm exhibition) weiss, wie Donovan betont, Selbstvertrauen zu haben in sich.
Auf jeden Fall sollte die DEU diesen einen Damen-Olympiastartplatz ausfahren !
Caren A. 2084
Möchte mich ebenso für den sehr ausführlichen Artikel bedanken, die Gedanken zu Lisa Tuktamysheva kann ich nur unterstreichen, auf den Punkt! Und was für ein Glück, ihr Trainer A. Mishin jetzt 80 Jahre jung gab ihr Vertrauen und hat an sie geglaubt. Die Trainings videos auf YouTube super interessant. Lisa ist eine moderne Läuferin. Und mutig mitten in der Saison nochmal die Kurzkür zu wechseln. Das Spartakus Thema meine ich war dem russischen Verband eher zuträglich, sehr traditionell. Im Laufe der Saison hat sie sich auf ihre persönliche Peformance konzentrieren können. Ich bin echt happy , sie hat eine Medaille 🥈, das zählt!
Und ich hoffe im nächsten Jahr auch mal im Eisstadion zu sitzen. Das letzte Mal in super Erinnerung in Frankfurt/ Main bei „ Holyday on Ice“ mit Aljona S. und Bruno M. als Stargäste, wow was für ein Erlebnis und Glück sie nochmal zu sehen, unvergesslich!
Bin auf die Fortsetzung sehr gespannt!
Und nochmal ein großes Dankeschön für die Mühe und Zeit!
Yogacat
@Caren A. Holyday on Ice in Frankfurt mit Aljona & Bruno und mit der jungen Leonie Schwenzner aus Hessen?
So klein ist die Welt! In einer der Vorstellungen saß meine Tochter mit ihrer Freundin im Publikum. Vielleicht sieht man sich mal bei einem der Wettbewerbe der nächsten Saison. Diese Corona Krise kann doch nicht ewig dauern.
Simjo
Vielen Dank für den Artikel. Er spiegelt nahezu eins zu eins meiner Eindrücke der WM wider. Es war einfach toll und was ganz besonderes nach so langer Zeit wieder einen Wettbewerb zu sehen, wo international alles mit Rang und Namen aufeinandertrieft.
Elke
Hallo Frau Marggraf, wo veröffentlichen sie sonst ihre Artikel ? Sie schreiben so schön, dass man mehr davon lesen möchte.
Karl-Heinz Krebs
Ich bin zwar nicht Marina, antworte aber trotzdem schon mal. Marina schreibt seit einiger Zeit hier im Blog und darüber bin ich sehr glücklich.
M.Marggraf Autor
Danke an alle für die freundlichen Worte. Habe mich über die Resonanz meines Artikels sehr gefreut. Hoffe, daß es nach Teil 2 auch noch positiv ist
. Über das Eiskunstlaufen berichte ich nur hier im Eiskunstlaufblog. Das genau der richtige Ort. Ein kleiner aber feiner Kreis. Fachlich kann ich natürlich mit den meisten nicht mithalten. (Ich kann die Sprünge einfach nicht unterscheiden) Aber dafür sind dann die Fachleute da und erklären es uns Laien. So hat jeder seinen Blickpunkt. Das ist gut so.
Und mir macht das Schreiben sehr viel Spaß. Ich hoffe, das Lesen auch.
Habt alle noch einen schönen Abend. Wir hören wieder voneinander.
Marina
P.S. Man kann auch gern mal anderer Meinung sein. Das interessiert mich auch.
Yogacat
Der Absatz zu Alexandra Trusova hat mir am besten gefallen. Nun sind wir alle schon sehr gespannt auf die Herren
Als kleine Anregung vielleicht, oder wenn Sie mal Zeit übrig haben, würde ich aus meiner Sicht empfehlen, sich via You Tube und Wikipedia einmal etwas eingehender mit den Sprüngen zu beschäftigen. Für Ihre Berichte ist das zwar nicht nötig, weil Karl- Heinz das alles in seinen Artikeln komplett analysiert, aber es ist interessant und bringt einen Gewinn beim Zuschauen.
Sie werden feststellen das es kein Hexenwerk ist und man sie mit etwas Übung und Zeitlupenstudie gut auseinander halten kann. Meist lässt sich schon am Anlauf erkennen welcher Sprung in Angriff genommen werden soll. Beim Schauen von Lifestreams ohne Kommentar und Punkteeinblendung oben links, kann man das Gesehene so viel besser einordnen. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur pragmatischer und gehe den Dingen gerne auf den Grund.
Elke
Hallo Frau Marggraf, sie sind ein grosser Bewunderer des Eiskunstlaufs an sich, ein fan aller Läufer. Ich denke, yogacat, Frau Marggraf sieht das nur aus diesem Blickwinkel - ist nicht die emotionale Seite des Eislaufens am Schönsten ?
Es ist doch eigentlich vollkommen unwichtig, wenn ein bisschen gefehlt hat an der Drehung des Sprungs. Wirklich schade, dass da Leute mit Winkelmesser sitzen und das alles auseinanderklabüsern und einen schönen Eindruck so beschmutzen müssen letztendlich.
So weh tat es mir, als Donovan Carillo seine Benotung bekam, ich begann nämlich wärend seiner Darbeitung unwillkürlich so zu lächeln wie er, das war ansteckend, und ich frage mich jetzt noch, warum er nicht besser benotet wurde, die Wertigkeit seiner Sprünge so niedrig angesetzt war.