Eigentlich liegt meine Aufmerksamkeit nie direkt bei den Medaillenträgern (ausser Hanyu). Gerade bei den Männern habe ich so meine Favoriten. Also ich meine, die, die ich gern laufen sehe.
Da ist ganz vorn Kevin Aymoz. Für mich der modernste, innovativste und kreativste Eiskunstläufer.
Wie er seine „Lighthouse“-Kür präsentiert. Jede Bewegung ist perfekt zur Musik, weich und fließend. Tempowechsel, Zwischenschritte, alle Bewegungen ob mit den Beinen, Armen, Kopf oder Händen sind absolut perfekt auf die Musik akzentuiert. Er läuft nicht nur nach der Musik, nein, es entsteht der Eindruck, als würden all die Klänge durch seine Bewegungen erst entstehen. Für mich ist er in kreativer Sicht, ein Genie. Seine Kür bräuchte nicht einen Sprung und sie wäre noch immer ein Genuss. Auch Matteo Rizzo und Daniel Grassl sehe ich besonders gern. Daniels Joker-Kür war einfach faszinierend. Ich glaube, ich habe 4 Minuten lang nicht geatmet. Tja und Keegan Messing – naja, wer mag ihn nicht. Er hat sich von Charly Chaplyn befreit. Das tut ihm gut.
Ja, der Männerwettbewerb, was für ein Feuerwerk. Das gab es schon Jahre nicht mehr. Die letzte Gruppe war der Wahnsinn pur. Immer wenn einem Läufer alles gelang, dachte man, daß dieser jetzt einen großen Sprung nach vorn machen würde. Denkste – wie man sagt. Der nächste Läufer zeigte wieder Bestleistung usw. usw. Und man dachte, besser geht’s kaum. Und dann kam Nathan Chen, der alle Leistungen vor ihm förmlich pulverisierte. Als letzter mußte Hanyu aufs Eis, d.h. er hätte auf dem Eis sein sollen. Ich weiß nicht, wer da stand und seine Kür lief. Hanyu war es nicht, nicht einmal sein Schatten. Er kam auf das Eis, als wüßte er schon, wie es ausgeht. Es ging um Gold, nur um Gold. Silber braucht er nicht. Nichts war da von seiner Attitüde, seiner unglaublichen Eleganz. Seine Kür war leblos. Es war ein sehr trauriger Moment. Vielleicht wäre es mit seinen tausenden Fans in der Halle anders ausgegangen – vielleicht. Doch wer ihn einmal live gesehen hat, wie er nach der Musik Notte Stellata läuft, ist ihm für immer verfallen. Niemand auf diesem Planeten läuft so wie er –
er bleibt noch immer ein Phänomen.
Glückwunsch an Yuma Kagiyama, der Silber holte und wohl den temperamentvollsten Freudentanz von sich gab. Und sein Strahlen war sogar durch die Maske zu sehen.
Bei den Tanzpaaren ging es mir wie “Eiskristall“. Seit Jahren habe ich eine besondere Vorliebe für Piper Gilles/Paul Poirier (CAN) und habe ihnen die Medaille soooooo gegönnt. Ich mag sie seit dem Freedance „Vincent“ (nicht zu verwechseln mit dem Song von Sarah Connor). Das Kostüm von damals ist für mich bis heute unerreicht das schönste und kreativste.
Leider kamen Stjepanova/Bukin nicht aufs Podium. Sie sind für mich die leidenschaftlichsten und säuseln nicht wie viele andere Paare als Papadakis-Kopie übers Eis. Vor allem Ivan ist sehr präsent, was den anderen Eistänzern oft fehlt. Das gefällt mir. Er ist ein kraftvoller Partner für die schöne Alexandra. Ihre Küren sind immer so energievoll. Motsi Mabjuse würde sagen: Hot, hot, hot.
Ich hoffe, Ihnen gelingt nächstes Jahr der Sprung aufs Podium.
Ich weiß gar nicht, wie viele Stunden ich in diesen 3 Tagen vor dem Fernseher saß, um die Wettkämpfe zu verfolgen. Aber eines muß ich noch anbringen – wieder einmal.
Wer um Gottes Willen sucht für die Eiskunstläufer die Musik aus. Wir haben 2021 und es werden noch immer die alten Kamellen abgespielt. Nichts gegen Klassik. Es gibt aber nicht nur schwermütige und dramatische Klavier- und Konzertstücke. Man kann auch gefühlvoll nach modernen Musiktiteln laufen. Es scheint, als hätten all die Trainer nur zwei CD’s im Schrank.
Wenn man einem Läufer dieses abgedroschene Lied aus dem Film „Lovestory“ gibt, ist das doch der Gipfel der Ideenlosigkeit.
Es sind alles junge Menschen, die dort im Wettkampf antreten und welche Musik haben sie?
Es ist dieselbe, die seit 40 runtergespielt wird. Man konnte die originellen Musikstücke an einer Hand abzählen. Es scheint nur ein Motto zu geben; was bewährt ist, ändert man nicht. „It works“.
Und das ist (für mich jedenfalls) so öde und ermüdend.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß all die Athleten nicht unterschiedliche Musikgeschmäcker haben.
Sie sind doch auch verschiedene Charaktere. Nur davon ist nichts zu erkennen. Es wäre doch authentischer, wenn man für diese jungen Athleten moderne oder originelle Musiktitel auswählt.
Da kann es mal nur Trommeln geben, da kann es mal rockig werden, afrikanisch klingen oder lateinamerikanisch. Die Welt ist doch vielfältig in jeglicher Hinsicht und ganz besonders in der Musik.
Wie will man junge Menschen an diesen Sport heranbringen, wenn sie ihre Identität bei jeder Kür an den Haken hängen müssen? Mit wem will man die Eishallen füllen, wenn die jetzige ältere Generation nicht mehr zu den Wettkämpfen geht? Machen wir uns nichts vor, viele junge Menschen sieht man in den Hallen nicht. Wie wird die Zukunft aussehen, wenn noch weniger Interesse da ist und der Sport noch weniger Unterstützung erhält?
Bei jeder Sportart wird überlegt, wie man sie für die Sportler und Zuschauer attraktiver gestalten kann. Das ist in der heutigen Zeit doch ein ganz normaler und verständlicher Gedanke.
Die große Frage ist doch: Was kann man tun, damit sich junge Leute für diesen Sport interessieren?
Modernere und originellere Musik wäre da mal schon ein Anfang.
Es ist längst überfällig.
Ich grüße Euch alle und wünsche Euch und mir, daß wir uns vielleicht irgendwann in der Eishalle persönlich sehen. (Wenn die Grenzen wieder auf sind 😊)
Alles Gute für Euch
Marina
Kommentare 6
Yogacat
Zu den Herren und zu den Eistanzpaaren schliesse ich mich Ihrer Meinung an. Vielen Dank. Auch sehe ich lieber das Original oder etwas Originelles, als diejenigen unter den Eistanzpaaren, die versuchen Papadakis und Ciceron zu kopieren, die ja an sich schon sehr vielseitig sind.
Mit Spannung erwarte ich ebenso alle Programme, die zu moderner Musik gelaufen werden, glaube aber, das man die Vorlieben einiger Läufer/innen für klassische Musik respektieren sollte. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, das die Eiskünstler ein gehöriges Wörtchen mitreden, was die Auswahl der Musik angeht. Sie bekommen sie über die Saison und und beim Training sehr viel öfter zu hören als wir glauben. Viele haben auch schon in Interviews und in der Presse erzählt, wie sie zu "Ihrer" Musik gekommen sind.
In den sozialen Medien sind junge Eiskunstläufer/innen oftmals mit ihren Instrumenten abgebildet, meist Klavier oder Geige.
Also gehe ich davon aus, dass sie klassische Musik als zeitlos empfinden und sie gerne interpretieren. Als dann aber 2 mal kurz hintereinander "Ave Maria" kam, hab ich auch gestöhnt. Um so schöner ist es, wenn zwischendurch etwas Modernes kommt,
wie bei Kaori Sakamoto "Matrix" oder Shoma Uno "Dancing on my own."
Elke
Hanyu will nur Gold und hatte keinen Bock mehr weil Chen uneinholbar vorn lag ? Ich nenne das Arroganz. Wenn das bei Hanyu nicht bewusst ablief, so unterbewusst, er verlor seine Körperspannung , er hat sich selbst damit sein eigenes Bein gestellt und nennt das danach auch noch "keine grosse Sache ich weiss was falsch war".
Karl Heinz hatte ja die Pressekonferenz verlinkt, ich hab da aus Neugier reingesehen, Hanyu fängt sofort an von diesem einen Sprung den er noch nicht kann und den scheinbar auch Nathan Chen nicht zeigt, wie ein Ablenkungsmanöver, eine Rechtfertigung, er habe diesen Sprung zuviel trainiert vorher und sei dadurch schief geworden. Hanyu sagt damit die Weltmeisterschaft war ihm piepegal. So was dürfen nur Götter. Und Trusova scheint auch so einen Status haben zu wollen.
Im übrigen seh ich viel lieber Kolyada zu als Hanyu.
Eiskristall
Vielen Dank für die tolle und umfassende WM-Nachlese!
Ich teile die Vorliebe für Kevin Aymoz: er ist ein wunderbarer Tänzer auf dem Eis, individuell, innovativ und von strahlender Ausdruckskraft.
Und für den unglaublich sympathischen Keegan Messing hat mich auch gefreut, dass er dieses mal so gut durch´s Programm gekommen ist. Der rockige Stil von "November Rain" passte perfekt zu ihm, der tiefe Griff in die 80er-Plattenkiste hier absolut stimmig. Mal schauen, ob er in der nächsten Saison noch andere Facetten von sich zeigen kann.
Stimme auch in Bezug auf Daniel Grassl zu. Seine Programme stehen für eine progressive Musikauswahl und erreichen eine ungeheure atmosphärische Dichte. Das Kostümdesign ergänzt diese noch; schon im letzten Jahr war seine Präsentation beeindruckend.
Eine Aufbruchstimmung in diesem kreativen Prozess ist schon spürbar bei der jungen Läufergeneration, aber grundsätzlich braucht es wirklich mehr Vielfalt und Modernität. Das betrifft auch in die Umsetzung klassischer Musikthemen, die gehören für mich unbedingt dazu, jedoch in zeitgemäßer Interpretation.
M.Marggraf Autor
Lieber Eiskristall, Elke und Yogacat, danke für Eure Kommentare. Es ist schön, sich so austauschen zu können und auch andere Sichtweisen zu lesen. Noch einmal kurz zur Musik. Natürlich gehört Klassik immer dazu. Diese Musik ist zeitlos und unvergänglich.
Aber vielleicht in anderen Adaptionen oder Arrangements, wäre es irgendwie wieder neu. Denn nur Popmusik oder reihenweise Rockbaladen sind auch kein Gewinn. Ich denke nur, daß man durch die Musik auch Charisma und Identität im Ausdruck bekommt.
Karolina Kostner meinte, daß Klassik oft gewählt wird, um als junger Läufer oder Läuferin erwachsener und reifer zu wirken.
Ich finde, das braucht niemand. Ein junger frischer Vortrag zu origineller Musik (Klassik oder modern) wäre authentischer.
Ich habe auch noch einmal über Hanyu nachgedacht. (Danke für die Anregung) Ich glaube, daß Hanyu Schwierigkeiten hat, Chen anerkennend ins Gesicht zu sehen. Das spürt man irgendwie. Die letzten Jahre ist Chen durch seine Sprünge davongeeilt, aber dieses Mal ist er richtig toll gelaufen, weich, elegant und sehr sourerän. Das war - finde ich, eine neue Qualität von ihm. Und das hat auch Hanyu gesehen. Nun muss er lernen, daß ehrlich anzuerkennen und zu zeigen.
Hanyu war ja immer der König. Selbst wenn er, wie in den letzten Jahren, nur noch Zweiter wurde. Die tausenden von japanischen Fans in der Halle haben ihn derartig gefeiert, daß alle anderen neben ihm verblassten. Selbst wenn sie, wie Chen, die Goldmedaille um den Hals hängen hatten. Es ging ein frenetischer Aufschrei durch die Halle, nur wenn Hanyu auf dem Großbildschirm zu sehen war. So blieb er trotz Silber immer die Nr. 1. Und im diesen Jahr war es erstmalig anders. Keine frenetischen Ovationen, keine hunderte von Winnipous, kein Personenkult. Er war das erste Mal ein ganz "normaler" Teilnehmer des Wettbewerbes. Ein Eiskunstläufer, der die Bronezmedaille gewann. Die Wolke, auf der er schwebte, hat sich aufgelöst und er ist auf der Erde gelandet.
Und lieber Eiskristall, Deine Einschätzung zu Daniel Grassl - da braucht man keine Silbe mehr hinzufügen. Besser kann man es nicht ausdrücken. Und ich hoffe und denke wie Du, daß die Männer da schon auf einem guten Weg sind.
Warten wir auf die nächsten Wettkämpfe. Es wird auf jeden Fall spannend.
Danke auch an alle, die meine WM-Nachlese gelesen haben - und nicht zu vergessen: Allen ein frohes Osterfest.
Bis zum nächsten Mal.
Elke
Danke Frau Marggraf.
Zu Hanyu war ich sehr heftig. Das gestehe ich ein. Er schwankt bei mir zwischen absoluter Bewunderung und dann wieder knallharter Distanz , ob Sie das verstehen ?
Nicht nur ich habe Hanyu etwas auf die Zehen getreten, auch NBC mit der fast identischen Begründung (finde leider den Original-link von nbc nicht). Ich hatte nbc nicht gelesen, das in meinem obigen Beitrag war mein Eindruck allein beruhend auf der Pressekonferenz nach der Kür.
MI's FAN
Hanyu hat einfach die Nerven verloren. Er hat die Punkte von Chen mitbekommen und wusste, er schafft das nicht.
Das ganze tata mit 4A ist für mich nur ein Ablenkungsmanöver. Meine Vermutung ist, er möchte nochmal Olympiasieger werden. Damit würde er in die Geschichte eingehen. Aber Chen in der Form kann er nicht schlagen. Ich muss sagen Hanyu's Kür hat mir auch nicht gefallen, aber ein Programm zu dieser Musik muss einfach clean gelaufen werden. Dann wirkt es vielleicht anders. Sein Kurzprogramm fand ich allerdings wirklich galaktisch. War bei der WM 1000mal besser als bei der japanischen Meisterschaft, wo es mir gar nicht gefiel.