Nationale Voreingenommenheit bei Kampfrichtern

Na, noch wach?

    Oder kürzer auf englisch : Der national bias. Dazu hier ( gefunden in reddit)

    Gibt es ihn ? : Ja.

    Was tut die ISU ? Sie prüft nicht ob die Kampfrichter den haben, sondern ob sie sich im erlaubten Rahmen bewegen, diesem Korridor, und der ist sehr grosszügig bemessen. Die Folge: Das jeweilige Land wählt nur die Kampfrichter aus, die ihrem Landsmann wohlgesinnt sind und auch entsprechend so gut bewerten, wie halt in diesem Korridor möglich.

    Jeder Kampfrichter kennt diesen Korridor. und man wäre blöd, den nicht auszunutzen, so der letzte Satz dieses Artikels, den ich hier voll zitiere

    A former high-level ISU official said that it was common to push one’s own skaters, explaining, “If you don’t do it, if you don’t join in the game, then you get left behind.”

    An was erinnert mich das ? Doping. Was erlaubt ist wird genommen - die vielen Asthmatiker in Ausdauersportarten.

    Oder: An die Geschwindigkeitskontrollen: +10 % ist Toleranzgrenze, also wenn du bei einem erlaubten Tempo 70 nicht knapp 80 fährst erklärt dich der Hintermann für doof und fährt dir so dicht auf, dass er dir fast im Kofferraum ist.


    Also: Warum aufregen über den national bias. Es gleicht sich unterm Strich alles aus.

    Keine Regel ohne Ausnahmen, diese Härtefälle, wo der eine Wettbewerb entscheidet über Wohl oder Wehe und die GOE oder die PCS um ein paar Zehntel nicht reichen, die tun mir leid.

    Zitat von Misha

    ... Die Folge: Das jeweilige Land wählt nur die Kampfrichter aus, die ihrem Landsmann wohlgesinnt sind und auch entsprechend so gut bewerten, wie halt in diesem Korridor möglich. ...

    Das ist die Kehrseite von allen Sportarten, die auf Kampfrichter angewiesen sind - vom Eiskunstlauf über Turnen, Rhythmische Sportgymnastik, Turmspringen, Snowboarden und selbst Wellenreiten oder Windsurfen usw. Auch überall, wo Schiedsrichter im Spiel sind, entstehen Ungerechtigkeiten, sei es, weil sie Fehler machen (sind auch nur Menschen), sie manchmal die erwähnte "bias" haben oder bestochen wurden, was auch gelegentlich vorkommt.

    Da lob ich mir den 100-Meter-Lauf, wo die Uhr für alle gleich läuft.

    Apropos bias, sprich nationaler Voreingenommenheit: Was das bedeutet, lässt sich immer schön beim Eurovision Song Contest (ESC) beobachten 😀

    zu Misha und Wulf: Genau dieser große Einfluss der Juroren ist dem IOC ein Dorn im Auge. Deshalb wurde das neue Wertungssystem eingeführt, welches den Einfluss der Juroren spürbar minimiert hatte. Warum der ISU Kongress die Uhr nun wieder ein Stück zurück drehte, ist nicht nachvollziehbar.

    Beispielsweise wird jetzt der PCS im Vergleich zum TES deutlich höher gewichtet. Die häufig umstrittenen Komponenten haben jetzt einen wesentlich größeren Einfluss auf die Gesamtnote, als bis zur Saison 21/22. Wir erinnern uns in dieser Saison besonders an die PCS von Kaori Sakamoto, die viele als deutlich zu hoch empfanden.

    Zitat von Karl-Heinz Krebs

    Beispielsweise wird jetzt der PCS im Vergleich zum TES deutlich höher gewichtet.

    Kann man das mal anhand eines Zahlenbeispiels zeigen, bitte ? :think:

    ich kann es mir nämlich eigentlich nicht vorstellen, denn dann hätte es doch bei allen Läufern sichtbar geringere TES geben müssen, oder aber auf der gesamten Breite eine Verbesserung der persönlichen Bestleistungen.

    Hängt die veränderte Gewichtung bei des PCS nicht damit zusammen dass es jetzt nur noch 3 anstatt vorher 5 Komponenten sind ? Und damit die Summe bei den PCS wieder so ist wie vor der Änderung musste der Gewichtungsfaktor für jede Komponente erhöht werden (z.B. i.d. Kür von 2 auf 3,33).

    Also so habe ich es aufgefasst als ich da mal flüchtig draufgeschaut habe :think: .

    vergleicht hier mal die WM 2022 Kür der Männer mit WM 2023

    http://www.isuresults.com/results/season…lsperSkater.pdf

    http://www.isuresults.com/results/season…23/data0105.pdf

    Shoma Uno PCS 2022: 95.14 (von Gesamt 202,85)

    Shoma Uno PCS 2023: 93.38 (von Gesamt 196.51)

    Ich habe jetzt nur die WM verglichen. Was auffällt:

    Sowohl Uno als auch Sakamoto haben bei der WM 2023 eine schwächere Kür gezeigt und dadurch einen deutlich geringeren TES erhalten. Allein dadurch steigt natürlich der Anteil der PCS an der Gesamtpunktzahl.

    Oder stehe ich auf dem Schlauch ?

    @Karl Heinz - ja natürlich, die höhere Gewichtung der PCS.


    Was es zusätzlich noch zum nationalen bias für Strömungen innerhalb der Kampfrichter gibt, kann man nur ahnen:

    Im Eistanz ist es fast klar, dass nur das Paar, das bei einem berühmten Trainerteam trainiert, es zu was bringen kann. Das wiederum wissen die Kampfrichter und das hat sich gedreht in " wer bei diesem Trainer trainiert muss im Zweifel besser sein als Paare die bei no Name Trainern sind". Daher war es ein Fehler, dass Davies/ Smolkin weg sind von Shpilband, einfach deswegen weil Shpilband einen gewichtigen Namen hat in der Szene.

    Ist der zweite WM Titel für Sakamoto eine Verbeugung auch vor dem japanischen Verband, seiner guten Arbeit ?
    Und der Weltmeisterbonus: Wer mal diesen Titel hat muss per se gut sein. Eine Art Rückkopplung.

    Auch das Wettkampf-Ende von Hanyu haben die Kampfrichter zu vertreten wenigstens nach der Meinung seiner fans, Hanyu zu übermächtig, auch andere Nationen sollten mal drankommen. Ja, so kann man eine Legende bauen um die Tatsache, dass Hanyu seit 2019 stagnierte, seine Verletzungen hinderten ihn zudem, und seine Konkurrenz schlief auch nicht.

    Zitat von Lunon

    ... vergleicht hier mal die WM 2022 Kür der Männer mit WM 2023

    http://www.isuresults.com/results/season…lsperSkater.pdf

    http://www.isuresults.com/results/season…23/data0105.pdf


    .... Allein dadurch steigt natürlich der Anteil der PCS an der Gesamtpunktzahl.

    Oder stehe ich auf dem Schlauch ?

    Mir scheint, der Eindruck, der aufgrund einzelner Läufer:innen entsteht, kann täuschen. Entsprechend deiner Auswahl (WM-Kür Männer 2022 vs. 2023) habe ich den Anteil der PCS an der Summe aus PCS + Element Score (aber ohne Deduction) für die ersten zehn Läufer ermittelt. Der Vergleich der Durchschnittswerte bringt eine erstaunliche Erkenntnis (außer es wäre ein Denkfehler in der Berechnung): Bei der WM 2023 ist der Anteil der PCS im Vergleich zur WM 2022 gesunken und zwar von 48,9 auf 47,6 Prozent. Jedenfalls bei den ersten zehn Männern.

    Anteil-Komponenten_an_Summe-Komp+Elemente.jpg

    PS. Bei Shoma Uno liegst du natürlich richtig: Bei ihm sind es 2023 47,5 %, im Vergleich zum Vorjahr also ein höherer Anteil PCS (46,9 %)

    Danke für die Mühe :clap:

    ich befürchte ich habe mich auch nicht deutlich ausgedrückt :oops:

    Ich wollte nur in Frage stellen, dass sich der Anteil der PCS am Gesamtscore seit dieser Saison durch die Gewichtung systematisch erhöht hat. Es ging ja um die Gewichtungsfaktoren. Vorher wurde jede der fünf Komponenten mit dem Faktor 2 multipliziert, so dass der perfekte Läufer 5 x 2 x 10 Punkte = 100 Punkte erreichen könnte. Damit der maximal mögliche Score von 100 Punkten auch nach der Zusammenlegung auf nun 3 Komponenten identisch bleibt, muss der Faktor auf 3,33 erhöht werden => 3 x 3,33 x 10 Punkte = 99,99 Punkte

    Vielleicht war Uno nicht das beste Beispiel. aber bei ihm war es ja trotzdem auch so, dass er einen 2023 einen geringeren (absoluten) PCS hatte.

    Wie der Anteil des PCS am Gesamtscore ist hängt maßgeblich vom TES ab, weil es hier je nach Tagesform (wenn Elemente nicht gelingen) zu großen Ausschlägen nach unten kommen kann.

    Die Programmkomponenten leiden darunter in der Bewertung nicht im selben Ausmaß.

    Die Folge der vielen technischen Fehler ist, dass in der Kür der Anteil der PCS am Gesamtscore steigt.

    Den höchsten Anteil des PCS am Gesamtsore (und zwar über 50%) dürfte sicherlich Jason Brown haben.

    Einmal editiert, zuletzt von Lunon (22. April 2023 um 05:24)

    Zitat von Lunon

    Danke für die Mühe :clap:

    Danke für die Vorlage. Was ich gelegentlich spannend genug finde, um Excel und meine Zeit zu bemühen: schauen, ob sich ein gefühlter Eindruck durch Zahlen bestätigen lässt. In dem Fall der Eindruck, „dass sich der Anteil der PCS am Gesamtscore seit dieser Saison durch die Gewichtung systematisch erhöht hat“.

    Und es sieht so aus, als ob du/wir in dem Fall falsch lagen, außer in meiner Excel-Tabelle (siehe unten) wäre ein Denkfehler enthalten.

    Um zu einer Aussage zu kommen, habe ich den „Anteil der PC am Gesamtscore“ anhand der Wertungen für die ersten zehn Männer bei der WM 2022 bzw. 2023 verwendet. Sprich, ich habe den Mittelwert für die ersten zehn hergenommen.

    Das Ergebnis sieht zusammengefasst wie folgt aus: Der Anteil der PCS am Gesamtscore (bei der Kür der Männer) hat nicht zugenommen, sondern abgenommen, und zwar von 49,0 % auf 47,7 %. Bei der diesjährigen WM haben die PCS also 1,3 % weniger Anteil am Gesamtscore – entgegen dem Eindruck, den du, aber auch ich und andere bekommen haben.

    Diff-PCS-Anteil_22-vs-23.jpg

    Zitat

    ... Vielleicht war Uno nicht das beste Beispiel. aber bei ihm war es ja trotzdem auch so, dass er einen 2023 einen geringeren (absoluten) PCS hatte.

    Machts nichts, ich habe ja den Mittelwert der Wertungen der ersten zehn Läufer verwendet.

    Zitat

    Wie der Anteil des PCS am Gesamtscore ist hängt maßgeblich vom TES ab, weil es hier je nach Tagesform (wenn Elemente nicht gelingen) zu großen Ausschlägen nach unten kommen kann. ...

    In der Excel-Tabelle zeigt die Spalte „% Prog/Sum“ (in der Mitte), wie hoch der PCS-Anteil ohne Deduction wäre. Doch Ergebnis bleibt gleich, sprich eine Differenz von 1,3 % geringerem PCS-Anteil am Gesamtscore in 2023.

    Zitat

    ... Die Folge der vielen technischen Fehler ist, dass in der Kür der Anteil der PCS am Gesamtscore steigt.

    Das würde man denken – aber in unserem Beispiel trifft das in keiner Weise zu. Ohne es für andere Beispiele gerechnet zu haben (also alle KP/FS, Damen/Eistanz/Paarlauf sowie alle Teilnehmer statt nur die ersten zehn) können wir nicht verallgemeinern. Aber er sieht danach aus, als würde uns der erste Eindruck täuschen.

    Zitat

    Den höchsten Anteil des PCS am Gesamtsore (und zwar über 50%) dürfte sicherlich Jason Brown haben.

    Einfach mal die Excel-Tabelle in groß zoomen und nachschauen ;)

    Anteil-Komponenten_an_Summe-Komp+Elemente_v2.jpg

    Wulf: Sehr interessant.

    Auch im technischen score kann per GOE - Vergabe Einiges gerichtet werden.

    Ich denke nur an die Verzweiflung der Kommentatoren, wenn Hanyu oft hinsegelte und doch noch Zweiter/Dritter wurde , wie sie das den Zuschauern erklären könnten, "seine technische Qualität ist so hervorragend bei den anderen Elementen, dass er da nicht so abstürzt im ranking wie andere".

    Letztlich war das ja auch die Kritik von Plushenko an den russischen Kampfrichtern in der vergangenen Saison, dass die seine Schützlinge mit weniger GOE bedachten als die der Tutberidze Gruppe ( er nannte Tutberidze nicht ausdrücklich, aber jeder wusste was gemeint war), obwohl nach seiner Ansicht die Sprünge seiner Schüler mindestens genauso technisch gut/ hoch/ weit/ sicher gedreht und gelandet waren.

    Ob da im Hinterkopf bei einigen Kampfrichtern was mitspielt was ihre Objektivität subjektiviert sei dahingestellt.

    Da kommen wir zu der philosophischen Frage, ob ein Mensch überhaupt objektiv sein kann.

    Zitat von Wulf

    Das Ergebnis sieht zusammengefasst wie folgt aus: Der Anteil der PCS am Gesamtscore (bei der Kür der Männer) hat nicht zugenommen, sondern abgenommen, und zwar von 49,0 % auf 47,7 %. Bei der diesjährigen WM haben die PCS also 1,3 % weniger Anteil am Gesamtscore – entgegen dem Eindruck, den du, aber auch ich und andere bekommen haben.

    und es liegt daran dass der durchschnittliche technische Wert der ersten 10 Männer in der Kür im Jahr 2023 deutlich höher war als 2022.

    2022: 91,2

    2023 : 95,7

    (wenn ich mich nicht verrechnet habe)

    edit:

    der Vollständigkeit halber noch die Durchschnittswerte der PCS. Die sind 2022 und 2023 fast identisch !

    2022: 87,08

    2023: 87,03

    (Schönheitsfehler: Die Top 10 ist nicht identisch. Nur 4 Männer waren in beiden Jahren in den Top 10)

    Interessant wäre es noch gewesen, wenn man Läufer gefunden hätte die 2022 und 2023 identisch abgeliefert hätten: Identische Inhalte in der Kür und fehlerlose Darbietung. Aber das sind halt Laborbedingungen.

    3 Mal editiert, zuletzt von Lunon (23. April 2023 um 16:03)

    Zitat von Lunon

    und es liegt daran dass der durchschnittliche technische Wert der ersten 10 Männer in der Kür im Jahr 2023 deutlich höher war als 2022.

    So ist es. Hier sind diese Angaben und die Differenzen zwischen den beiden Jahren ergänzt:

    Anteil-Komponenten_an_Summe-Komp+Elemente_v3.jpg

    Zitat

    ... Interessant wäre es noch gewesen, wenn man Läufer gefunden hätte die 2022 und 2023 identisch abgeliefert hätten: Identische Inhalte in der Kür und fehlerlose Darbietung. Aber das sind halt Laborbedingungen.

    Das ist, glaube ich, weniger ein Problem, da die Mittelwerte der zehn Erstplatzierten den Sachverhalt gut wiederspiegeln.

    Misha: "Auch im technischen score kann per GOE - Vergabe Einiges gerichtet werden. ..."

    Das ist wahrscheinlich der springende Punkt: Nicht eine erhöhte Gewichtung der PCS ist für die von uns teils als seltsam empfundenen TCS verantwortlich, sondern es sind die GOE aus den Total Element Score.